Interview mit Vincent Voss

Vincent Preis: Hallo Vincent Voss! Stell dich doch mal unseren Lesern vor!



Vincent Voss: Hallo Vincent Preis! Ich bin Vater dreier Kinder, lebe mit meiner Familie im flachen Norddeutschland nicht weit von Hamburg entfernt und bin im realen Leben Geschäftsführer eines gemeinnützigen Vereins, der in der Kinder-und Jugendarbeit aktiv ist. Gegruselt hat es mich schon immer gerne und einen Drang meine Ideen zu veräußern hatte ich auch schon seit ich klein war. Dieser konnte jahrelang durch das leiten von Rollenspielgruppen und später als Sänger einer Terrorjazzband kompensiert werden, als dieses aber auseinander ging, fehlte mir etwas und ich fing zu schreiben an. Meine Kurzgeschichte „Das Haus am See“ hat bei der Earth Rocks Ausschreibung den dritten Platz belegt und wurde in diesem ambitionierten Magazin veröffentlicht. Danach habe ich Blut geleckt, mit einem Roman, nämlich „Faulfleisch“, begonnen und an Ausschreibungen, die mich angesprochen haben, teilgenommen. Und wer mich besser kennen lernen möchte, spricht mich einfach beim Marburg-Con an.



Vincent Preis: Deine Geschichte »Tränensteine oder die Geschichte von Jack Headshot« wurde für den Vincent Preis als »Beste Kurzgeschichte« nominiert. Warst du überrascht und welche Chancen rechnest du dir aus?



Vincent Voss: Also, ja, ich war überrascht. Ich habe die Verkündung live im Chat des HORROR-FORUMS mitbekommen und habe nach der Bekanntgabe erst mal nach einem Bier gesucht, um es zur Feier des Tages zu trinken. Gehofft habe ich, aber nicht damit gerechnet. Außer der Geschichte von Eddie M. Angerhuber kenne ich alle anderen Geschichten und sage mal, alle Geschichten haben gleich gute Chancen, weil sie alle gut sind. Das wird eine enge Kiste…



Vincent Preis: Die Geschichte war Teil des Vincent Preis Lesezirkel und kann hier gelesen werden. Warum sollte ein unbekannter Leser die Geschichte lesen und worum geht es grob?



Vincent Voss: Was soll ich sagen? Weil sie gut ist, finde ich. Es geht um den indianischen Mythos der Tränensteine. Den Stämmen am Colorado-River ist durch Gier und Unehrenhaftigkeit im Krieg ein Fluch wiederfahren und Häuptling Rain in the face hat diesen durch seine zu Stein gewordenen Tränen gebrochen. Diese Tränensteine sind von den Indianern zum Schutze versteckt worden. Ein ahnungsloser Goldsucher hat sie gefunden und damit den Fluch wiederbelebt. Aus Sicht eines Ethnologen wird die indianische Sicht auf die Dinge beschrieben und Jack Headshot will die Farm seines Bruders Billy aufsuchen, weil dort, den Briefen seines Bruders nach, etwas Unheimliches vor sich geht. Dort kommt es schließlich zum Showdown und weil ich Untote nun mal so gern mag, kommen sie auch darin vor.



Vincent Preis: Westerr und Grusel ist eine ungewöhnliche Mischung. Wie kamst du zur Idee von Tränensteine?



Vincent Voss: Die Idee zur Geschichte, wow, die ist echt lang! Rain in the face war ein Shadowrun-Charakter in einer Rollenspielrunde, die Tränensteine sind in einer Saison in einer Geschichte unserer indianischen Ferienfreizeiten vorgekommen, über einen Charakter wie Jack Headshot wollte ich immer schon mal schreiben und Untote drängen sich mir einfach auf. Wobei, ein gewisser Reiz liegt als Autor auch eben in diesem Mix.



Vincent Preis: Die Geschichte ist aus dem Buch »Der Fluch des Colorado Rivers. Hast du das Buch gelesen und welche Geschichten würdest du besonders empfehlen?



Vincent Voss: Klar, hab ich die Anthologie gelesen und kann sie auch Horror-Fans empfehlen. Meine Lieblingsgeschichte in dem Band ist Andreas Grubers „Schießerei am O.K. Corral“, natürlich weil sie auch das Thema „Untote“ behandelt, aber auch weil sie das, was ich an Western liebe, großartig cineastisch beschreibt. Alfred Wallons „Kutsche nach Great Junction“ fängt die klassische Atmosphäre einer Gespenstergeschichte sehr gut ein, Christian Endres rockt in seiner Geschichte „Tot oder lebendig“ wie ein Slayer-Riff, „Schwefel“ von André Wiesler hat mir auch sehr gut gefallen, wie mir auch „Das Greenhorn von Harte´s Pocket“ von Susanne Haberland gut in Erinnerung geblieben ist. Da sind schon einige sehr gute Geschichten dabei, mir gefallen jene einen Deut besser, in dem die Horror-Anteile deutlicher präsent sind.



Vincent Preis: Das Buch erschien im Verlag Torsten Low. Dort erscheint dieses Jahr ein Roman eines gewissen Autors. Erzähl doch mal, worum es in »Faulfleisch« geht, warum es gerade im Verlag Torsten Low erscheint und warum die Leser den Roman unbedingt kaufen müssen.



Vincent Voss: „Faulfleisch“ ist eine Hommage an die Stimmung zu Beginn von Romero´s „Zombie“. Diese schleichende, aber erbarmungslose Bedrohung, ein so nachhaltiges Gefühl dieser Intensität hat selten ein Thema bei mir auslösen können. In „Faulfleisch“ ging es mir darum, das Thema eben nicht dort zu beginnen, wo ein global umspannendes Virus die Menschheit infiziert hat und ein paar Menschen um das Überleben kämpfen, sondern, wie es sich schleichend und im Kleinen ausbreiten kann. Es gibt sozusagen einen Einzelfall, von dem aus sich das Phänomen multipliziert. „Faulfleisch“ beginnt im ländlichen Raum im Norden Hamburgs und zieht dann allmählich Kreise. An den Schnittstellen, wo Behörden oder Ämter mit diesem Phänomen konfrontiert werden, habe ich qualitative Interviews geführt, bzw. mir die Schauplätze, wie z.B. die Rechtsmedizin angeschaut und „verdächtige“ Fragen gestellt um möglichst genau schildern zu können, wie an diesen Stellen damit umgegangen werden würde, wenn jemand keine Vitalzeichen aufweist, dennoch „lebt“ und ein fremdaggressives Verhalten an den Tag legt.

Im Mittelpunkt steht Liam, der auf das Land gezogen ist und auf einer seiner Erkundungen durch das Moor in der Alstertalniederung eine mysteriöse Beobachtung anstellt. Um dieses Ereignis für sich erklären zu können, stellt er weitere Nachforschungen an und entdeckt Dinge, die nicht sein können. Und ja, wer mehr wissen will, sollte es lesen.

Im Verlag Torsten Low erscheint es, weil es erst Torstens Testleser und dann Torsten selbst überzeugt hatte. Ich habe es an ein knappes Dutzend Verlage geschickt, eine Handvoll begründete Absagen von ambitionierten Kleinverlagen erhalten, dass „Zombie“ nicht ins Verlagskonzept passen würde, drei Standardabsagen von den großen Verlagshäusern, drei Verlage gibt es zwischenzeitlich nicht mehr und einer hat sich nicht gemeldet. Der Verlag Torsten Low war von Anfang an einer meiner Favoriten. Torsten Low habe ich dann 2010 auf der Nord Con kennen gelernt und ich hatte den Eindruck: Es passt einfach!



Vincent Preis: Vorher erscheint noch »172,3« im Luzifer Verlag. Wann genau erscheint das Buch und worum geht es da? Der Titel ist ja ungewöhnlich!



Vincent Voss: Ich hoffe, es erscheint noch rechtzeitig zum Marburg-Con und Steffen vom LUZIFER-Verlag und ich können es da vorstellen. Die Idee zu „172,3“ ist mir bei einem meiner Abnehmversuche gekommen. Damals habe ich gerade versucht, mich für eine klitzekleine Tournee mit der Band fit zu kriegen, bin auf das Land gezogen und habe mich gefragt, was wohl mit den Kilos passiert, die man abspeckt. Nebenher habe ich an einigen Hausarbeiten für die Uni gearbeitet und in diesem Zustand völliger Schlaflosigkeit habe ich mir ein imaginäres Fleischwesen vorgestellt, was durch den Verlust meines Körpergewichts wächst. In einem Band-Blog habe ich über meine täglichen Beobachtungen berichtet, bis es, ähnlich wie bei „Stark“ von King anfing, tatsächlich zu leben… Na, ja, das war die Grundidee zu Viktor, der abnehmen will und dabei etwas zum Leben erweckt, was sehr eng mit ihm verknüpft ist. Wer mehr erfahren will, sollte sich die Leseprobe auf der Verlagsseite http://www.luzifer-verlag.de/ anschauen. Das Buch empfehle ich allen, die keine Lust mehr auf ´s Abnehmen haben. Ha,ha! Und natürlich allen Horror-Lesern.



Vincent Preis: Zurück zu den Kurzgeschichten. Tränensteine ist ja weder die erste noch die letzte Veröffentlichung. Gib´ uns doch mal ein Überblick über dein Kurzgeschichtenwerk und nenne uns deinen persönlichen Favoriten.



Vincent Voss: Okay, das ist noch überschaubar, ich liste sie mal auf:



- „Haus am Meer“ – ER (Verein zur Förderung phantastischer Literatur in Österreich), Ausgabe 9, April 2009, ISSN 1996-7705

- „Meine Name ist ein…Missverständnis“ – Asphaltspuren, Ausgabe 12, Dezember 2009, ISSN 1610-773x

- „Der Teufel steckt im Detail“ – Geisterhafte Grotesken; Fabienne Siegmund Hrsg., Verlag Torsten Low, 2010, ISBN 978-3-940036-05-6

- „Der Wohnwagen“ – Dunkle Seiten Band 1; Twilight Line Verlag,2010, ISBN 978-3-941122-53-6

- „Der Prometheusspiegel“ – Dunkle Seiten Band 2; Twilight Line Verlag, 2010; ISBN 978-3-941122-62-8

- „Der Vormieter“ – Pendulus, UlrichBurger Verlag, Oktober 2010, ISBN: 978-3981284638

- „Starke Gefühle“ – Geisterspiegel – das große Online-Magazin, Geschichte November 2010, http://www.geisterspiegel.de/

- „Bis zum Hals“ – Blätterwelt, Herausgeber Fabienne Siegmund, November 2010,ISSN 1867-3187

- „Danach“ – StoryCenter 2010, Herausgeber Michael Haitel, p.machinery, Dezember 2010, ISBN: 978-3-942533-13-3

- „Die Multiplikatoren des Doc Mohr“ - Siegergeschichte Corona Magazine Ausgabe 258, November 2011, http://archive.corona-magazine.de/corona258.html

- „Jack Headshot und die Geschichte der Tränensteine“ – Der Fluch des Colorado River, Herausgeber Stefan Cernohuby und Wolfgang Schroeder im Torsten Low Verlag, Dezember 2011, ISBN: 978-3-940036-11-7

- „Zehn Meter“, Asphaltspuren, Ausgabe 16, Dezember 2011, ISSN 1610-773X

Mein persönlicher Horror-Favorit ist Jack Headshot und am Herzen liegt mir aufgrund zahlreicher persönlicher Erinnerungen die Geschichte „Der Wohnwagen“.



Vincent Preis: Zwei Romane in der Mache, trotzdem natürlich die Frage, was hat ein Vincent Voss noch so in der Pipeline?



Vincent Voss: Ein dritter ist in der Schreibe. „Töte John Bender!“ wird er heißen und ist ein kniffliger Thriller mit mystischem Einschlag und die Ideen für weitere drei Projekte sind grob vorhanden. Zum einen ein weiter Thriller, der sich einem sehr ernsten Thema widmet, eine Art Fortsetzung zu „Faulfleisch“, sowie eine Gespenster oder Geistergeschichte im Stile James Herberts. Wenn ich doch nur mehr Zeit hätte…

Dazu kommen demnächst einige Kurzgeschichten von mir heraus. Meine in meinen Augen bisher härteste Geschichte „Wünsch dir was!“ wird in der Zwielicht III im Eloy Verlag erscheinen, meine Sherlock-Holmes-Geschichte „Stimmen aus dem Jenseits“ in der Anthologie „Sherlock Holmes und das Druidengrab“ herausgegeben von Alisha Bionda im Fabylon-Verlag, eine Steampunk-Story „Die Maschine“ im Story Center 2011 im Band QUANTUM bei p.machinery, „Tuc Tuc to hell“ eine Horror-Road-Movie-Geschichte in den Dunklen Seiten V des Twilight Line Verlags. Das sind die Projekte, die kurz vor ihrer Veröffentlichung stehen und einige andere, unter anderem eine Novelle namens 101112 und zwei Sci-Fi-Kurzgeschichten werden dann noch im Frühling und Sommer folgen. Informiert halten kann man sich, wenn man es mag, auf http://www.vincentvoss.de/ , wo ich regelmäßig Autopsieberichte veröffentliche und jeweils den Zombie des Monats küre.



Vincent Preis: Die deutsche Horrorszene ist ja relativ überschaubar. Vielleicht nennst du uns als »Schreiberling« mal ein paar Werke, die wir unbedingt lesen müssen.



Vincent Voss: Erst mal würde ich Klassiker empfehlen, denn die atmen eine Sprache, die es in sich hat. E.T.A. Hoffmann, Theodor Storm oder Essays und Gedichte von Gottfried Benn fallen mir da ein. Gerade lese ich Willy Seidel und muss sagen, Respekt! Ich lerne davon und genieße es. Aktuelle empfehle ich Michael Dissieux und sein Buch „Graues Land“, Stefan Melneczuks „Marterpfahl“ hat mich umgehauen, Thomas Finn „Weißer Schrecken“ war stimmungsvoll, aus Harald A. Weissens „Begegnung mit Skinner“ lässt mich der Erzählstil nicht los, ebenso bei Jörg Kleudgen. Jens Lossau betritt mit „Dunkle Nordsee“ neues Mystery-Thriller-Terrain mit ganz eigenem Stil und ganz besonders hat mich Christian Endres gepackt. „Zombies von Oz“ ist ganz großes Kino. Dazu gesellen sich in meinen Augen einige fähige Kurzgeschichtenschreiber, von denen man hoffentlich bald mehr liest oder es zumindest sichergestellt ist, sie immer wieder neu lesen zu können. Die deutsche Horror-Kurzgeschichte wird ja gerne heiß diskutiert und ich hoffe, dass es uns ambitionierten Autoren gelingt, sie so interessant zu gestalten, dass sie auch für Verlage lukrativ werden. Ich denke zum Beispiel, und meine das echt ohne zu schleimen, dass die ZWIELICHT einen erheblichen Beitrag dazu leistet, indem sie breitgefächerte Horror-Kurzgeschichten auf hohem Niveau präsentiert. Und sie hat einen ausdauernden Atem, den es braucht.



Vincent Preis: Und als letzte Frage. Was wünscht sich Vincent Voss für die Zukunft?



Vincent Voss: Ganz bodenständig: Gesundheit. Ganz abgehoben: ein Turmzimmer in dem ich schreiben kann.


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